Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Juni 2011: 40 Jahre Rhein-Main-Exegesetreffen (2011)
“Forschungslabor” für Exegeten: Seit 40 Jahren treffen sich Bibelfachleute in Frankfurt
toe. Frankfurt am Main. Der Moloch ist sprichwörtlich geworden. Wenn es etwas Negatives auszudrücken gilt, ist etwa vom „bürokratischen Moloch“ oder vom „Großstadt-Moloch“ die Rede. Der Moloch kommt im Alten Testament vor: Ihm werden Kinder geopfert, was Gott verbietet. Aber geht es wirklich um einen Götzen, der Opfer verlangt? Der Mainzer Alttestamentler Thomas Hieke hat eine eigene These entwickelt: „Moloch“ war seiner Meinung nach eine Chiffre der Judäer für die persische Besatzungsmacht, der sie seinerzeit ihre Kinder zur Verfügung stellen mussten, als Diener oder für den Militärdienst. Die „kulturelle Vermischung“ zwischen den Völkern sei den Verfassern der biblischen Texte als Katastrophe vorgekommen. Statt die Besatzer direkt zu kritisieren, bedienten sie sich eines verschlüsselten Bildes.
Wer genau wissen will, was Hieke dazu denkt, muss eine der nächsten Ausgaben von „Welt des Orients“ lesen. Seinen Kollegen hat er die These aber schon vorgestellt und mit ihnen darüber diskutiert: beim Rhein-Main-Exegesetreffen. Hieke ist auch der Vorsitzende dieses Kreises. Mehr als 140 katholische und evangelische Exegeten nehmen immer oder gelegentlich an den Treffen teil, die für Hieke wie ein „Forschungslabor“ sind, in dem neue Gedanken vorgestellt werden können.
Seit 40 Jahren kommen Alt- und Neutestamentler aus der Rhein-Main-Region und anderen Gegenden dreimal im Jahr in der vom Jesuitenorden getragenen Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt zusammen. Den ersten Vortrag hielt im Mai 1971 der Neutestamentler Gerhard Lobfink über „Die Himmelfahrt Jesu“. Die jüngste Zusammenkunft liegt erst einige Tage zurück. Dabei referierte Judith Hartenstein, Privatdozentin im Fach Neues Testament der Marburger Universität, über außerbiblische Evangelien und die Entwicklung frühchristlicher Theologie.
Gegründet worden war der Kreis von Frankfurter, Mainzer und Würzburger Exegeten, um das Gespräch zwischen den Fachleuten beider Konfessionen und den Kontakt zwischen älteren und jüngeren Forschern zu stärken, wie der Sankt Georgener Alttestamentler Dieter Böhler sagt. Der Sekretär des Treffens ist immer ein Professor aus Sankt Georgen – derzeit hat Böhler diese Aufgabe inne -, der Vorsitzende kommt aus einer anderen Hochschule.
Informationen über die Arbeit des Kreises sind auf der Seite www.rhein-main-exeg.de zu finden.